Menschen mit Behinderung

Das Alphabet in der Hand

Beim Lorm-Schnupperkurs der Behindertenseelsorge gabs viele «A’s» und «O’s». Erstaunlich, wie schnell so ein Finger-Alphabet, das der Kommunikation für Hörsehbehinderte und Taubblinde dient, erklärt ist. Das Senden und erst recht das Empfangen muss denn aber ein paar Hirnwindungen mehr durchwandern. Alles eine Frage des Trainings.
Mit dem Handschuh lormt es sich ganz leicht.
Mit dem Handschuh lormt es sich ganz leicht. | © 2021 Fleur Budry

«Man kann nicht nicht kommunizieren», sagte der Kommunikationswissenschaftler und Psychologe Paul Watzlawick. Was aber, wenn Augen und Ohren nicht (voll) funktionsfähig sind? Wie gelingt Kommunikation dann? Wie können wir die Welt, das Aussen, auch noch wahrnehmen?

Der Schnupperkurs mit Elisabeth Gimpert, selber betroffene Lorm-, Braille- und Haptiklehrerin, gab einen Einblick in eine genial ergänzende Sprache: das sogenannte Lormen. Das Fingeralphabet wurde im 19. Jahrhundert von Hieronymus Lorm (1821-1902) für den eigenen Gebrauch entwickelt, da er mit 16 Jahren ertaubte und etwa vier Jahre später auf einem Auge erblindete. Seine Tochter Marie beherrschte das System und wurde so zu seinem Sprachrohr. Nach seinem Tod veröffentlichte sie 1908 die Sprache, die Hieronymus Lorm in der Familie und im Freundeskreis verwendet hatte. Seitdem ist das Lormen ein Tor zur Aussenwelt für hörsehbehinderte und taubblinde Menschen.

Den Berührungssinn schärfen

Kommunizieren, ohne zu hören und ohne zu sehen, wie geht das? «Wir arbeiten gerade an einem Buch über Haptik», sagt Elisabeth Gimpert. Durch Corona habe sich leider alles ein bisschen verschoben. Das grossartige an der Sprache der Haptik: sie ist international. Anhand der Haptik kann die Stimmung im Raum wahrgenommen werden, Taubblinde können dadurch zum Beispiel Emotionen empfangen. Die Haptik gibt Informationen über Begegnungen, das sei wichtig, um sich orientieren zu können. Mit einem Fingerknips an der linken Hand des Gegenübers vermittle ich, dass gleich das Zugbillet kontrolliert wird.

Senden und Empfangen

Im Unterschied dazu stützt sich das Lormen auf unser Alphabet. Es wird Buchstabe für Buchstabe in die linke Hand des Gegenübers geschrieben, wodurch sich die Kommunikation natürlich verlangsame. Die Taubblindenzeit müssten wir uns etwa 1:3 vorstellen. Von A bis Z: Punkt, Ab- und Aufstriche, ein leichtes Trommeln der Finger und Kreis werden zur Sprache.

Das Lormalphabet ist schnell gelernt. Nach dem Schnupperkurs nehmen die Teilnehmer*innen neu geübte «A’s» und «O’s» und auch viele Aha-Momente mit nachhause. Wenn sie nun einer taubblinden Person begegnen, wären sie nicht komplett hilflos. Dank eines Handschuhs, den Taubblinde mit sich führen können, sollte das Senden schnell gelingen. Ein bisschen mehr Geduld bräuchte es aber, um das Alphabet auch empfangen zu können.

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