«Das Heilige in sich wieder finden»
Dominik Thali
In Rom gibt es im Heiligen Jahr, das der Papst am 24. Dezember eröffnet hat, vier Heilige Pforten. Eine solche Pforte befindet sich auch im Bistum Basel. Bischof Felix Gmür hat sie am 29. Dezember in der Kathedrale in Solothurn aufgestossen.
Heilige Pforten? Wer in einem Heiligen Jahr nach Rom pilgert und dort unter anderem diese sonst zugemauerten Pforten durchschreitet, kann einen Ablass erhalten, also den Nachlass von Sündenstrafen im Jenseits. So lautet in der Sprache Roms die Erklärung. In den zehn Pilgerkirchen, die das Bistum für das Heilige Jahr 2025 dem Motto gemäss (siehe Kasten) bezeichnet hat – in jedem Kanton eine –, gibt es zwar keine Heiligen Pforten. Dort kann aber der «Gnadenerweis» erlangt werden, wofür es freilich mehr braucht: das gemeinsame Gebet, das Glaubensbekenntnis, Beichte und Teilnahme an einer Eucharistiefeier.
Gott zum Vorbild nehmen
Sünde, Heilige Pforte, Gnadenerweis: das sind sperrige Begriffe. Kirchenferne schmunzeln darüber. Harald Eichhorn, seit gut vier Jahren Propst des Stifts Beromünster, hütet sich deshalb, das eben begonnene Heilige Jahr theologisch ausufernd zu erläutern. Auch das Wort Sünde nimmt er nicht in den Mund. Lieber hält sich Eichhorn daran, was das Bistum selbst über das Heilige Jahr schreibt: Solche Jahre lüden dazu ein, «sich die Barmherzigkeit Gottes zum Vorbild für unser eigenes Leben zu nehmen; vom Kleinsten – zum Beispiel in unseren persönlichen Beziehungen – bis zum Grössten: für friedliches Zusammenleben von Völkern, Kulturen, Religionen und Staaten, für gerechte Wirtschaftsbeziehungen in unserer Welt».
Das Heilige Jahr könne «Impulse geben», darüber nachzudenken, sagt Eichhorn. Und selbst ins Handeln zu kommen. Als Seelsorger sagt es der Propst so: «Es geht darum, das Heilige in sich wiederzufinden.»
Eine Einladung sei dies, keine Anordnung. «Das ginge sowieso nicht. Jede und jeder ist selbst gefordert.» Die Heilige Pforte oder die Sache mit dem Gnadenerweis sind für Harald Eichhorn deshalb auch nicht zentral. «Es geht um den eigenen Glauben und das Vertrauen. Man kann nicht einfach sagen, jetzt gehe ich durch diese Pforte und alles ist wieder in Ordnung. Es muss auch etwas in mir selbst geschehen.» Der Bischof von Chur, Joseph Maria Bonnemain, spricht deshalb von einem «spirituellen Reset». Es gehe darum, Altgewordenes und uns Belastendes, unbereinigte Situationen und Entmutigungen sowie den negativen Beigeschmack des uns Misslungenen loszuwerden», schreibt Bonnemain in einem Brief an seine Mitarbeitenden.
Klar: Jemand fühle sich vielleicht gestärkt, wenn er durch die Heilige Pforte geschritten sei, räumt Eichhorn ein. Jemand anderes sage aber vielleicht, er könne durch irgendeine Türe gehen. Oder müsse durch gar keine.
«Man kann nicht einfach sagen: Jetzt gehe ich durch diese Pforte und alles ist wieder in Ordnung»: Harald Eichhorn, Propst des Stifts Beromünster. | Bild: Martin Dominik Zemp
Fürchte dich nicht!
Ob so oder so: Wichtig ist Eichhorn im Heiligen Jahr, «den Menschen vor Augen zu führen, dass sie erlöst sind und keine Angst haben sollen», wie er sagt. Und mit zwei Sätzen aus der Bibel erklärt, die er besonders mag: «Fürchte dich nicht!», sagt Jesus mehrmals zu Menschen, die ihm folgen, und «dein Glaube hat dir geholfen» zu einer kranken Frau, die er heilt. «Hoffen und Vertrauen haben, auch wenn die Zeiten schwierig sind. Das ist der Punkt.» Das gelte für alle, sagt Eichhorn. Ausgerufen habe das Heilige Jahr zwar die katholische Kirche. Eingeladen dazu seien aber alle Menschen, ungeachtet ihrer Kultur und Religion.
Für das Stift Beromünster sei es «eine Ehre und eine Chance», dass das Bistum seine Kirche für den Kanton Luzern als Pilgerkirche im Heiligen Jahr bezeichnet habe. Die Geschichte von «Möischter» reicht bald 1000 Jahre zurück, Harald Eichhorn erwartet, dass das Stift dieses Jahr als spirituelles Zentrum auf der Luzerner Landschaft noch mehr Besucherinnen und Besucher anziehen wird, als es das heute schon tut.
Viele junge Menschen
Die sieben Chorherren – Eichhorn ist mit seinen 65 Jahren der jüngste, der älteste ist 94 – feiern täglich Eucharistie, halten die Chorgebets- und Anbetungszeiten ein und stellen jeden Samstag einen «sehr intensiven Beichtstuhl-Betrieb» (Eichhorn) fest. Selbst die Werktagsmessen seien sehr gut besucht, sagt der Propst, auch weil es in den Pfarreien rundum kaum mehr solche gebe. Zur Beichte sodann kämen einerseits viele junge Menschen zwischen 20 und 25 Jahren sowie ältere ab 65 Jahren. Es ziehe viele Leute mit einem Bezug zu Religion und Glaube nach Beromünster, sagt Harald Eichhorn. «Aber auch solche, die auf der Suche sind. Und diese Gruppe wird immer grösser.»
Das Stift rechnet damit, dass das Heilige Jahr 2025 die Nachfrage nach Gottesdiensten und Beichtgelegenheiten noch verstärken wird. Denkbar seien auch Vorträge und Gesprächsangebote, sagt Propst Eichhorn.