Der Zeit gemäss von Gott sprechen
Dominik Thali
Mit der Gottesdienstsprache taten sich im Hürntal schon Grafs Vorgänger schwer. Mit dem «Herr, ich bin nicht würdig» habe er Mühe, erinnert sich der Pastoralraumleiter an die Aussage eines früheren Kollegen. Seither wird vor der Kommunion das Bruderklausen-Gebet gesprochen. Das war vor rund 20 Jahren.
Gott ist kein Mann, der Geist kein Gespenst
2021 beschloss das Liturgieteam des Pastoralraums, alle Texte zu überarbeiten, die in einer Eucharistie- oder Kommunionfeier im Wechsel zwischen dem Zelebranten/der Zelebrantin und den Teilnehmenden gesprochen werden. Graf nennt drei Gründe dafür:
- Bei Gottesdiensten mit grosser Beteiligung, vorab Beerdigungen und Hochzeiten, kennen Personen, die selten zur Kirche gehen, die Texte nicht mehr. «Sie sagen dann lieber nichts oder murmeln irgendetwas», sagt Graf. Mitunter sei das gewissen Leuten peinlich gewesen.
- Die Gottesdienst-Texte sind schwer verständlich. Erst recht für Jugendliche. Habe er an einer «Mini»-Probe gefragt, ob jemand wisse, was das «...und mit deinem Geiste» bedeute, sei auch schon von Gespenstern erzählt worden. Ohnehin: Oft spreche man im Gottesdienst einfach etwas nach, ohne zu wissen, was damit überhaupt gemeint sei.
- Die liturgische Sprache ist männlich geprägt. «Wir wollen aber nicht so von Gott sprechen, dass die Menschen das Gefühl haben, Gott sei ein Mann», erklärt Graf. Im Pastoralraum Hürntal wurde deshalb «Herr» schon vor längerer Zeit weitgehend durch «Christus» ersetzt.
«Wenn ich an einer ‹Mini›-Probe fragte, ob jemand wisse, was das ‹...und mit deinem Geiste› bedeute, wurde auch schon von Gespenstern erzählt.»
Andreas Graf Leiter Pastoralraum Hürntal
Die Überarbeitung der gemeinsamen Gottesdienst-Texte geriet schliesslich zu einem gut zweijährigen Projekt mit grosser Beteiligung. Im Frühjahr 2021 machte sich das Liturgieteam an die Arbeit. Begleitet wurde es von der Luzerner Theologin und Autorin Jacqueline Keune. Sie habe Respekt vor den Gebeten der Kirche, «die sich seit Jahrhunderten durch all die Gotteshäuser ziehen», schreibt Keune im Hürntaler Pfarreiblatt. Es sei aber «gleichzeitig unsere Aufgabe, auch immer neu Sprache zu finden für das, was wir glauben». Wir lebten «nicht mehr in den Zeiten der Entstehung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses.
«Ein kleiner synodaler Prozess»
Dem Hürntaler Liturgieteam war es wichtig, diese neue Sprache nicht allein, von oben bestimmend, zu entwickeln. «Wir wollten die Leute mitnehmen», erklärt Graf. Das hiess: Das Liturgieteam brachte das Thema erst in den Pastoralraumrat, danach wurde dreimal an einer Pastoralraum-Versammlung darüber diskutiert. Daran nahmen jeweils um die 60 Personen teil. Zwar entschied das Liturgieteam über die endgültigen Fassungen, die Konsultation führte aber doch zu einigen Anpassungen. Zum Beispiel heisst die Antwort im Friedensgruss nun: «Und mit der ganzen Welt» statt «Und auch mit dir». Oder: Als Anfang des Vaterunsers hatte das Liturgieteam erst «Unsere Mutter, unser Vater im Himmel» vorgeschlagen. Jetzt lautet er: «Unser Gott im Himmel». Graf spricht rückblickend von einem «synodalen Prozess im Kleinen». Er erwähnt auch, dass das Team Kritik und Bedenken meist mit Zuhören und Erklären habe begegnen können. «Es hiess dann etwa: Aha, das war mir gar nicht bewusst.» Graf glaubt, der Prozess habe den Sinn dafür geschärft, welche Wirkung Worte haben können. «Wenn es zum Beispiel in der Fürbitte-Antwort nicht nur ‹Erhöre uns› heisst, sondern auch ‹Hilf uns›, macht das klar, dass da nicht einfach jemand ist, der für uns handelt, sondern dass wir auch selbst gefragt sind.»
«Tun, was wir selbst tun können»
Seit Pfingsten nun werden die überarbeiteten Texte in allen Gottesdiensten des Pastoralraums gesprochen. Auf einem ins Kirchengesangbuch eingeklebten Zettel können sie nachgelesen werden. Graf betont: Die neuen Fassungen seien keineswegs endgültig. «Wir sammeln Erfahrungen und passen auch wieder an. Wir haben zudem nicht den Anspruch, unsere Fassungen seien die einzig richtigen.» Bloss stimmiger sollten sie sein, meint er: «Wir wollen so von Gott reden, dass es heutige Menschen verstehen.» Keune sagt es so: Sie wünsche sich in der Liturgie eine Sprache, «die die Menschen erreicht, die von ihnen verstanden wird, die Nähe zu ihrem Alltag hat, die sie wärmt und stärkt».
Graf ist sich bewusst, dass sich der Pastoralraum Hürntal mit den überarbeiteten Gottesdienst-Texten kirchenrechtlich auf eine Gratwanderung begeben hat. Man experimentiere eben, sagt er dazu, solange «von oben» keine Vorschläge für Veränderungen kämen. «Das ist das, was wir selbst tun können.».
Beispiele zu den überarbeiteten liturgischen Texten
Legende:
P = Priester/Diakon | Z = Zelebrant:in | A = Alle
Eröffnung
Text gemäss Messbuch:
P Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
A Amen
P Der Herr sei mit euch
A Und mit deinem Geiste
Überarbeiteter Text im Pastoralraum Hürntal:
Z Im Namen Gottes –Grund des Lebens
Im Namen Jesu – Puls der Liebe
Im Namen der Geistkraft – Atem der Hoffnung
A Amen
Vor dem Evangelium
Text gemäss Messbuch:
P Der Herr sei mit euch
A Und mit deinem Geiste
P Aus dem heiligen Evangelium nach...
Überarbeiteter Text im Pastoralraum Hürntal:
Z Christus sei mit euch
A Und auch mit dir
Z Aus dem Evangelium nach...
Fürbitten
Fürbitten
Text gemäss Messbuch:
A Wir bitten dich, erhöre uns
Überarbeiteter Text im Pastoralraum Hürntal:
A Hör’ uns, hilf uns
Friedensgruss
Text gemäss Messbuch:
P Der Friede des Herrn sei allezeit mit euch
A Und mit deinem Geiste
Überarbeiteter Text im Pastoralraum Hürntal:
Z Der Friede Jesu Christi sei mit euch
A Und mit der ganzen Welt
Vor der Kommunion
Text gemäss Messbuch:
P Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt
A Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund
Überarbeiteter Text im Pastoralraum Hürntal:
Bruderklausen-Gebet:
A Du, mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Du, mein Gott, gib alles mir, was mich führet zu dir. Du, mein Gott, nimm mich mir, und gib mich ganz zu eigen dir. Amen.
Andreas Graf-Jost (59) leitet den Pastoralraum Hürntal, der 2013 errichtet wurde. Zum Pastoralraum Hürntal gehören die Pfarreien Dagmersellen und Uffikon-Buchs, in denen Graf schon zuvor als Pfarreileiter verantwortlich war.