Ein digitales Glaubensbekenntnis
Eva Meienberg
Es habe einige Zeit gebraucht, bis sich die Mitschwestern auf das Projekt eingelassen, die Angst vor dem Internet verloren hätten, erzählt Sr. Karin in einem Besuchszimmer des Klosters im Luzerner Seetal, mit Blick auf einen der zahlreichen Innenhöfe. Als der Klosterbau aus den 70er-Jahren kürzlich für seinen runden Geburtstag gefeiert wurde, war der Anlass gegeben, um auch auf Social-Media-Kanälen darüber zu berichten – Instagram und Facebook.
Danach ging es weiter mit Handfestem: Etwa mit alten Klosterfrauen mit Schleier, Schürze und Fleecejacke, die im Hof Holzbänke putzen, die dann ins Winterlager gebracht werden. «Unsere Beiträge sollen Blitzlichter aus dem Klosterleben sein», sagt Sr. Karin. «Uns gibt es auch!», will sie in die digitale Welt rufen. Nicht mehr und nicht weniger. Ihre Kanäle seien absichtslos. Keine Werbung, keine Rekrutierung. Im besten Fall Hoffnung, Freude oder Trost für die Follower.
Schneeflocken in Zeitlupe
«Ich habe so viele Wunder um mich herum», sagt die Klosterfrau mit dem dezenten Walliser-Akzent, «ich muss nirgends hin. Ich möchte den Menschen sagen: Macht die Augen auf, ihr habt die Wunder vor der Nase.» Darum filmt Sr. Karin auch mal Schneeflocken und lässt sie in Zeitlupe vom Himmel fallen oder postet Sonnenuntergänge im Zeitraffer. Wunder überall.
Sr. Karin betont, ihr Glaube sei geerdet. Keine flammenden Herzen, keine Erscheinungen suche sie, sondern einen Glauben, der verwurzelt sei und ihr im Alltag helfe, nicht nur an besonderen Tagen. Denn auch im Kloster herrscht Alltag. Für die Besucherinnen und Besucher sei «Kloster Baldegg» eine Haltestelle der Bahn. Für die Schwestern sei es der alltägliche Lebensort. Berge von Wäsche zusammenlegen, Tische decken, Ordenskleider nähen. Die Baldegger-Schwestern tun ein Leben lang nichts anderes, als zu arbeiten und zu beten.
Vorbild Kloster Einsiedeln
Bevor Schwester Karin online ging, schrieb sie alle Klöster in der Deutschschweiz an. Sie fragte die Ordensleute, wie sie die Sozialmedien nutzen. Neben dem Kloster Baldegg seien nur zwei weitere Frauenklöster darin unterwegs: Cazis und Wurmsbach. Die Nase vorn hätten aber die Einsiedler Benediktinermönche, sagt die Klosterfrau neidlos. Von ihnen liess sich Sr. Karin schliesslich beraten.
«Wir wollen uns zeigen und dazu stehen, wer wir sind und was wir glauben.»
Sr. Karin Zurbriggen
Niemals postet sie ein Foto von einer Mitschwester, ohne es ihr vorher gezeigt zu haben. Von Anfang an war ihr klar, dass sie Gesichter zeigen will. «Wir wollen uns zeigen und dazu stehen, wer wir sind und was wir glauben», sagt Sr. Karin. Bevor sie einen Beitrag postet, zeigt sie ihn Sr. Renata. «Wir arbeiten nach dem Vier-Augen-Prinzip.»
Herzchen machen Freude
So macht sie es auch heute. In der Kapelle hat sie ein Bild vom Sarg einer verstorbenen Schwester gemacht. Hat sie keine Skrupel? «Nein», sagt Schwester Karin, «wir glauben, dass der Tod nicht das Ende ist. Das will ich zeigen.» Zur Sicherheit hat Sr. Karin aber noch die Mitschwester gefragt, die der Verstorbenen besonders nahestand. Sie ist einverstanden.
Am meisten über Social Media gelernt hat Sr. Karin von ihren jungen Kolleginnen und Kollegen im Altersheim in Hochdorf, wo sie als Pflegefachfrau arbeitet. Dorthin fährt sie bei Wind und Wetter auf ihrem Fahrrad. Wer das nicht glaubt, findet auch dafür den Beweis auf Instagram. Die Bildschirmzeit habe sie gut im Griff, sagt die Instagram-Schwester. Am Mittag und am Abend prüfe sie ihren Account und poste einen Beitrag. Natürlich freue sie sich über ein Herzchen zu einem Beitrag, aber dann sei es gut.
Erstpublikation im Aargauer Pfarreiblatt «Horizonte»