Menschen mit Behinderung

Ein Stift hilft Shoana beim Erzählen

Sprache und Sprechen sind zentral für die Verständigung. Shoana Erni, einer jungen Frau mit Down-Syndrom, hilft ein Audiostift, sich in ihrem Alltag zurechtzufinden und von ihren Erlebnissen zu erzählen. Der Stift ist eine von vielen Möglichkeiten der Unterstützten Kommunikation.
Sie verstehen sich – verbal und dank des Audiostifts: die heilpädagogische Katechetin Yvonne Rihm und ihre Schülerin Shoana Erni. | © 2024 Dominik Thali

Wie oft muss ich noch schlafen, bis ich Geburtstag habe? Wann reisen wir in die Ferien? Und an welchem Tag bin ich dran, mit dem Hund auszugehen? Shoana Ernis Alltag ist bunt, aber der 17-Jährigen aus Uffikon fehlt aufgrund ihrer geistigen Behinderung der Überblick. «Sie hat einen guten Wortschatz, doch ein Gespräch geht nicht über das Hier und Jetzt hinaus», sagt Sara Unternährer, Logopädin an der Heilpädagogischen Schule (HPS) Willisau, wo die junge Frau die Oberstufe besucht. In der Familie spricht Shoana, in der Schule wenig. Sie kennt die Buchstaben, kann sie aber kaum zu Wörtern verbinden.

Das Tagebuch schafft Ordnung

Als Shoana sich im Herbst für den Firmweg entschied, beschaffte Unternährer deshalb für sie ein grosses Tagebuch, in das sie, Lehrpersonen und Familie mit Bildern und Symbolen einzutragen begannen, was schon war und was noch kommt. Für jede Woche gibt es darin zwei Seiten, jeder Tag hat eine andere Farbe. «Von der Firmung redete Shoana schon Anfang Schuljahr», sagt Unternährer. Mit dem Tagebuch habe sie die Monate und Wochen bis dahin überblicken können.

Nach einiger Zeit machte die Logopädin ihre Schülerin zusätzlich mit dem Audiostift vertraut. Der Anybook Reader – so lautet der Markenname – ist ein handliches Aufnahme- und Abspielgerät. Eine Bezugsperson von Shoana – Mutter, Lehrerin, Therapeutin – spricht auf den Stift zum Beispiel ein Erlebnis oder erklärt eine Aufgabe. Die Aufnahme wird mit dem Zahlencode auf einem kleinen Aufkleber verknüpft und dieser an der gewünschten Stelle in das Tagebuch geklebt. Jana Erni, Mutter von Shoana, stellt fest, dass ihre Tochter Zeit und Geschehen besser miteinander verknüpfen kann, seit sie mit Tagebuch und Stift arbeitet. «Das hat die Kommunikation in der Familie wirklich verbessert.»
 

Beim verstehen und sprechen helfen

Die Unterstützte Kommunikation (UK) hilft Menschen, die nicht sprechen, die Lautsprache nicht oder nur eingeschränkt verwenden (können), sich gleichwohl zu verständigen. Der Audiostift, den Shoana Erni verwendet, ist ein Hilfsmittel dafür. Weitere solche sind zum Beispiel Programme mit grafischen Symbolen, die auf einem Bildschirm angetippt werden können, Gegenstände und Bildtafeln, Symbole, die gedruckte Texte ergänzen oder PORTA-Gebärden.

In der Schweiz gibt es fünf UK-Netzwerke. Jenes für die Zentralschweiz ist dem Heilpädagogische Zentrum Hagendorn ZG angegliedert.

Mehr Einblick und Austausch möglich

«Wenn ich Shoana nun frage, was sie am Wochenende erlebt hat, sucht sie den entsprechenden Tag und tippt mit dem Stift über den Aufkleber. Ich erhalte so mehr Einblick in ihren Alltag», sagt Yvonne Rihm. Sie ist Heilpädagogische Katechetin an der HPS Willisau, hat Shoana alle zwei Wochen im Religionsunterricht und diese dabei auch auf die Firmung vorbereitet. Die Stationen der Vorbereitung hat Sara Unternährer auf den Stift gesprochen.

Der Audiostift ermöglicht es, Gesagtes beliebig oft zu wiederholen – ohne ständige Begleitung durch Lehrpersonen, Eltern und Therapeut:innen. «Das hilft Menschen, deren Sprachentwicklung verlangsamt oder eingeschränkt ist», sagt Logopädin Sandra Unternährer. «Solche Menschen müssen Wörter und Sätze sehr oft hören, um sie zu verinnerlichen.»
 

Lebenswert

Lesen Sie jetzt unsere Geschichten zum Zweijahresschwerpunkt.

Mehr zum Thema:

Menschen mit Behinderung
Wo Vertrauen eine andere Dimension hat
Menschen mit Behinderung
Dank Gebärden Texte besser verstehen
Menschen mit Behinderung
Mal anders gedacht: der behinderte Gott
Aktuelle URL in die Zwischenablage kopieren
Kopieren erfolgreich!