Karin Wandeler-Wüest: Die «Musterleserin» des Pfarreiblatts
Dominik Thali
Karin Wandeler lädt gerne ein. Von der Stube in ihrem Haus am Tannberg in Schenkon reicht der Blick weit. Die goldgeränderte Tasse, in der sie den Kaffee serviert, deutet an, was sie mag. Wie das historische Kanapee in der Stube. «Alte Sachen. Schöne Dinge.» Wenn Wandelers Gäste erwarten, deckt und dekoriert die Gastgeberin als Erstes den Tisch. Aus ihr hätte auch eine Wirtin werden können. Als Meitschi ging Karin im «Rosengarten» in Möischter ein und aus, den die Grosseltern führten, als Teenager wuchs sie dort in die Fasnacht, mit 17 lernte sie beim Tanzen ihren späteren Mann Robert kennen, mit 31 machte die junge Lehrerin das Wirtepatent.
«Das gefiel mir einfach immer»
Und blieb dann aber doch der Schule treu. Die Mutter hatte ihr ermöglicht, das Lehrerinnenseminar Baldegg zu besuchen, wiewohl das Geld nach der Scheidung der Eltern und dem Umzug von Rothenburg ins Michelsamt knapp war. Karin Wüest, wie sie damals noch hiess, schloss «mit kirchlicher Sendung» ab; der offene Glaube, den sie in den fünf Jahren im Seetal erlebt hatte, legte einen Boden, der bis heute trägt, wenn es um die Kirche geht. Exerzitien, Singen im Chor, Lektorin sein: «Das gefiel mir einfach immer», sagt Karin Wandeler. Kirchenräume ziehen sie an. Auf Reisen. Oder in den Weihnachtstagen, wenn sie und ihr Mann von Krippe zu Krippe ziehen. Das sei inzwischen ein Ritual. «Und Rituale mag ich.»
Die neue Synodalrätin steht der Kirche freilich nicht unkritisch gegenüber – Stichwort Gleichberechtigung. Sie räumt aber ein, dass sie sich lieber dort einsetze, wo sie mitgestalten könne, als sich politisch zu exponieren. Der Gemeinderat, für den sie erst angefragt wurde, kam für Karin Wandeler deshalb nicht in Frage: «Ich bin eine linke CVP-Frau, das Soziale ist mir wichtig, da hätte ich mich zu fest verbiegen müssen.» Als ihr dann aber im vergangenen Sommer das Amt als Synodalrätin angeboten wurde, fasste sie sich ein Herz. «Jetzt musst du einfach Ja sagen», habe sie sich ermutigt, dazu zu stehen, was ihr wichtig sei – und zugesagt. Die Anfrage sah sie auch als «echli vom Herrgott kommend». Die vier Monate seit der Wahl durch die Synode im November bestätigen sie in ihrem Entscheid. Das Amt sei «extrem spannend», sie sei «so richtig happy».
In der Fasnachtszeit muss anderes warten
Happy ist Karin Wandeler auch alle zwei Wochen, wenn das Pfarreiblatt im Briefkasten liegt. «Meine Lieblingsheftli», meint sie und schmunzelt, wenn sie mit dieser Bemerkung Erstaunen auslöst. «Doch doch, ich bin eine Musterleserin», doppelt sie nach, sie spare sich das Blatt jeweils «wie eine Kostbarkeit» auf eine ruhige Stunde auf. Bis sich eine solche findet, geht es höchstens in der fünften Jahreszeit etwas länger. Denn an der Fasnacht setzt eine ehemalige Zunftmeisterin die Prioritäten anders.