Kirchliche Behörden

Kirche und Staat: Kanton lockert die Bindungen

Die staatliche Kollaturverpflichtung in St. Urban soll aufgelöst werden, die Regierung gibt Pfarrwahlrechte ab, das Bistumskonkordat steht zur Debatte: Der Kanton Luzern löst zunehmend seine Bindungen zur katholischen Kirche. Politische Vorstösse setzen Druck auf.
Das ehemalige Kloster St. Urban gehört seit 1848 dem Kanton. Dieser finanziert dort seither auch die Seelsorge. | © Gregor Gander

«Die für den Gottesdienst vorhandenen Gebäulichkeiten sollen gehörig unterhalten und für die Seelsorge [soll] daselbst bestens gesorgt werden»: An dieses Dekret für St. Urban, vom damaligen Grossen Rat am 13. April 1848 beschlossen, muss sich der Kanton Luzern bis heute halten. Die sogenannte Kollaturverpflichtung war die Gegenleistung für die Aufhebung des Klosters, dessen Vermögen in der Folge an den Staat fiel. Dank der Kollaturverpflichtung bezahlen die Katholikinnen und Katholiken von St. Urban keine Kirchensteuern. 

Jetzt will die Regierung allerdings die kirchlichen Bande zum Klosterdorf lösen. Ende März teilte sie mit, «noch in diesem Jahr» ein Dekret «zum Loskauf [der] seelsorgerischen (...)Verpflichtung» vorzulegen. Offen ist, was dieser Loskauf den Staat kostet. Dieser muss gemäss dem «Gesetz betreffend Abtretung von Kollaturrechten an die Kirchgemeinden» von 1872 die Kirchgemeinde mit dem 22-fachen des Betrags entschädigen, der heute für die Seelsorge aufgewendet wird. Dies wären rund 6.6 Millionen Franken. Vorgesehen ist zudem, dass St. Urban die Kirche weiterhin kostenfrei nutzen kann. Über das Dekret entscheidet der Kantonsrat.

Ob die Kirchgemeinde künftig Kirchensteuern erheben wird, entscheidet diese selbst. Die Entschädigung durch den Kanton verschafft ihr bei dieser Frage jedoch Luft.
 

«Im Kontrast zu einer säkularen Gesellschaft»

Die Aufgabe der Kollaturverpflichtung in St. Urban und von 21 Pfarrwahlrechten (siehe Kasten) sind zwei Beispiele dafür, dass der Kanton Luzern seine Beziehungen zur katholischen Kirche lockert. Anstoss dazu geben nicht nur deren sinkendende Mitgliederzahlen. Der Anteil der Katholikinnen und Katholiken an der Gesamtbevölkerung ist in den letzten zwölf Jahren von 65,1 auf 51,1 Prozent gesunken. Druck machen auch politische Vorstösse. Noch unbeantwortet ist etwa eine im Oktober eingereichte Motion von David Roth (SP, mittlerweile Nationalrat), die verlangt, der Kanton solle das Bistumskonkordat von 1828 kündigen. Für Roth ist es «anachronistisch», wenn der Kanton aufgrund dieses Konkordats unter anderem Lohn und Sozialleistungen seines residierenden Domherrn (Generalvikar Markus Thürig) bezahlen muss.

Eine ähnliche Motion haben Anfang Mai drei Zuger Kantonsratsmitglieder der Grünen, SP und GLP eingereicht. Löhne an kirchliches Personal aus der Staatskasse zu bezahlen stehe «im Kontrast zu den Erwartungen einer modernen, säkularen Gesellschaft», erklären sie. Der Kanton Zug muss allerdings keinen residierenden Domherren bezahlen.

Regierung soll auf alle Pfarrwahlrechte verzichten

Die Wahlrechte der Luzerner Regierung bei der Besetzung von Pfarr- und weiteren Seelsorgestellen dürften bald Geschichte sein. Im November teilte sie mit, ab sofort auf einen Teil der sogenannten Päpstlichen Privilegien «vor dem Hintergrund sozialer und religiöser Entwicklungen der letzten Jahre» zu verzichten. Dies betrifft folgende Kirchgemeinden und Pfarreien:

Adligenswil, Doppleschwand, Ebikon, Entlebuch, Greppen, Grossdietwil, Grosswangen, Hellbühl, Hitzkirch, Luzern St. Leodegar, Malters, Meggen, Menzberg, Romoos, Rothenburg, Schüpfheim, Schwarzenberg, Ufhusen, Vitznau, Winikon, Zell

In einem im März eingereichten Postulat fordert Kantonsrätin Rahel Estermann (Grüne, Luzern), die Regierung solle auch auf jene vier Wahlrechte verzichten, an denen diese festhalten will: für die Stifte Beromünster und St. Leodegar Luzern, für die Jesuitenkirche Luzern und das Kloster St. Urban. Es sei «in der heutigen Zeit nicht mehr angemessen, dass der Kanton Luzern seinen Segen für die Bestellung kirchlicher Ämter geben» müsse. Estermanns Vorstoss haben auch Mitglieder von FDP, SVP, GLP und SP unterzeichnet.

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