Menschen wieder Halt geben im Leben

Dominik Thali

Christine Demel, Verantwortliche für Soziales und Diakonie im Pastoralraum Region Willisau, erhält viele Anfragen. Oft etwa bittet eine Familie um einen Beitrag an die Spielgruppen-Kosten. Meist sagt sie dann ja. «Die Spielgruppe ist ein Ort, in dem sich Kinder das Miteinander lernen.» In Hochdorf hat die Kirche auch schon einer Person die Monatsmiete bezahlt. «Die Frau wäre sonst auf der Strasse gestanden», sagt Daniela Kaiser. Sie ist im Pastoralraum Baldeggersee Diakonieverantwortliche. Dort gibt es sogar eine von der Kirche finanzierte Notwohnung.
Eine Zahnarztrechnung, das Klassenlager eines Kindes, Reisekosten für unerwartete Spitalbesuche, Fahrstunden, weil man ohne «Billett» und Auto eine Stelle gar nicht antreten kann: Der Alltag ist teuer, wenn der Lohn tief ist. Christine Demel sagt auch: «Vieles, was bei unserem hohen Lebensstandard dazugehört, kann der Sozialstaat gar nicht abdecken oder ist darin gar nicht vorgesehen.» Das Geschenk zum Beispiel, das ein Kind, zu einem Geburtstag eingeladen, mitbringen will. Es möchte doch dazugehören.
Alle gleich behandeln
In Willisau gibt es unter anderem die «Stiftung Familienhilfe», die in solchen Fällen hilft, in Hochdorf das Caritas-Konto. Beidenorts stehen jährlich 10 000 bis 15 000 Franken zur Verfügung. Und heisst es aber auch: Geld gibt es nicht einfach so, sondern nur, wenn der Bedarf ausgewiesen ist. Ganz ohne Reglemente und Formulare geht es also nicht, und die finanziellen Verhältnisse müssen offen gelegt werden. Die kirchliche Sozialhilfe ist zwar niederschwellig, «aber ein Mindestmass an Bürokratie schafft auch Gerechtigkeit und sorgt dafür, dass alle gleich behandelt werden», sagt Demel. Jedoch unabhängig von ihrer Herkunft und Kultur, ergänzt Kaiser. Hilfe erhalten da wie dort zudem nur Personen aus dem jeweiligen Pastoralraum.
Demel und Kaiser sehen schliesslich einen finanziellen Beitrag eigentlich nur als Nothilfe. Wichtig ist ihnen, dass sich die Betroffenen beteiligen: etwa, indem sie selbst etwas an die Kosten beisteuern, einen Kurs machen oder die Schuldenberatung aufsuchen. Will heissen: Jemand soll nicht jedes Jahr mit dem gleichen Anliegen an die Pfarrhaustür klopfen. «Wir wollen die Hilfesuchenden nicht von uns abhängig machen», erklärt Demel. Sie wie ihre Kollegin in Hochdorf arbeiten deshalb eng mit den Stellen der staatlichen Sozialhilfe zusammen. Sie vernetzen, weisen weiter, machen aufmerksam: Zum Beispiel auf die Prämienverbilligung, von der jemand nicht weiss. Oder sie nehmen sich jene Zeit, die eine andere Stelle vielleicht nicht aufbringen kann. Etwa für das Ausfüllen der Steuererklärung.
Die beiden Diakonieverantwortlichen stellen andererseits fest, dass manche Menschen nicht zu ihnen kommen oder aufs Sozialamt gehen, obwohl sie Hilfe nötig und auch einen Anspruch darauf hätten – weil sie sich für ihre Armut schämen. Demel erzählt von einer Frau, der sie vergeblich anbot, die Formulare für Ergänzungsleistungen auszufüllen.
«Ein Mindestmass an Bürokratie schafft auch Gerechtigkeit und sorgt dafür, dass alle gleich behandelt werden,»
Christine Demel
Daniela Kaiser findet gleichwohl die kirchliche Sozialhilfe habe viele Möglichkeiten, im Einzelfall unkompliziert zu unterstützen. Der Druck sei bei der Kirche mitunter weniger hoch als beim Staat, und sie habe mehr Zeit, Menschen zu begleiten und deren Eigenverantwortung zu fördern.
Christine Demel pflichtet ihr bei. Für beide ist ohnehin unbestritten: Soziale Arbeit gehört zum Kernauftrag der Kirche. «Jesus hat durch Wort und Tat verkündet», sagt Christine Demel. Und Daniela Kaiser ergänzt: Die Diakonie sei eine Möglichkeit, den Glauben auf andere Weise herauszutragen als etwa in einem Gottesdienst: «Menschen Hoffnung zu geben und die Hand zu reichen, die wir dort nicht treffen.»