Porta-Gebärden: mit den Händen über Gott reden
Dominik Thali
Im Zimmer von Katechetin Yvonne Rihm in der heilpädagogischen Schule Willisau sitzt die Gruppe im Kreis, in der Mitte brennt eine Kerze. «Gott, du grosses Liecht, lüchtisch för de Marc – du lüchtisch för die ganzi Wält», singen sie und heben beim Wort «Gott» die Arme nach oben. Das verstehen alle. Reihum zündet jedes der vier Kinder seine Kerze an – nach Marc auch Joanna, Elin und Sebastian.
5 Büchlein, 500 Gebärden
Religion und Spiritualität sind auch für Menschen wichtig, die sich nicht oder nur beschränkt über die gesprochene Sprache verständigen können. Doch Begriffe wie segnen, Himmel, Taufe oder Wunder sind schwierig zu erklären, wenn die Worte fehlen. Anita Portmann spricht selbst mit den Händen, wenn sie erklärt, wie trotz einer geistigen oder Sinnesbehinderung Verständigung möglich ist: mit Mimik, Gestik und Gebärden. Portmann ist die Autorin von «Wenn mir die Worte fehlen», einer Gebärden- und Handzeichensammlung für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung. Die Sammlung entstand während Portmanns Jahren im Heilpädagogischen Zentrum Schüpfheim und wurde später mit jener der «Tanne» vereinheitlicht, der Schweizerischen Stiftung für Taubblinde in Langnau am Albis – in Abgleich mit den Gebärden der Gehörlosen.
Heute ist Porta – abgeleitet aus Portmann und «Tanne» – die Deutschschweizer Sammlung von Gebärden, die den Möglichkeiten und Bedürfnissen von nicht oder kaum sprechenden Menschen entsprechen. Erschienen sind bis jetzt fünf Büchlein, die jeweils 100 Gebärden umfassen. Sie decken den Basiswortschatz ab und Themen wie «Zusammenleben» oder «Mensch und Natur». Über eine App sind alle Gebärden auch als kleine Filme abrufbar.
Jetzt entsteht ein weiterer Band für die Bereiche Religion und Spiritualität. Darin würden nicht nur kirchenbezogene Begriffe wie Taufe oder Konfirmation übersetzt, «sondern auch solche, die im Leben überhaupt wichtig sind», sagt Yvonne Rihm. Hoffnung etwa. Oder Vergebung. Rihm ist heilpädagogische Katechetin, berät im Auftrag der Luzerner Landeskirche die Sonderschulen im Fach Religionsunterricht und gehört der ökumenischen Arbeitsgruppe an, die das neue Porta-Büchlein erarbeitet. Anita Portmann leitet die Gruppe. Zurzeit ist diese daran, die Mittel zu beschaffen. Rund 75’000 Franken braucht es, damit das Projekt umgesetzt werden kann. Spätestens nächsten Herbst soll das Büchlein erscheinen. Die Luzerner Landeskirche unterstützt die Herausgabe des Büchleins mit 4000 Franken.
Spielraum für die Seelsorge
«Gebärden helfen, dass sich jemand trotz Behinderung einbezogen und verstanden fühlt im Alltag und in der Gemeinschaft», erklärt Rihm. Sie «spricht» deshalb in ihrem Schulzimmer schon lange auch mit den Armen und Händen. «Gebärden sind für mich eine wichtige Kommunikationsform. Zum Beispiel für Rituale oder wenn ich biblische Geschichten erzähle.» Die neue Sammlung werde über den Religionsunterricht hinaus nützlich sein, ergänzt Portmann: «Die Gebärden befähigen jemanden, Worte zu finden zum Beispiel, wenn jemand stirbt oder sich über das Glück des Lebens freut. Das gibt auch Spielraum in der Seelsorge.»
Für die Arbeitsgruppe ist das Porta-Büchlein «Religion und Spiritualität» eine «einmalige Gelegenheit», eine einheitliche Gebärdensammlung für die Deutschschweiz zu entwickeln, die sich für die Behindertenseelsorge ebenso eignet wie für den «Unti» in Regelklassen und im Pfarreialltag. «Ein Schritt zur inklusion», wie es im Projektbeschrieb heisst.
Als nächsten Schritt legt die Arbeitsgruppe fest, welche 100 Begriffe wesentlich sind und in das Büchlein aufgenommen werden. Zu manchen gibt es schon eine Gebärde – etwa Himmel. Andere, zum Beispiel für Hoffnung, müssen noch festgelegt werden. Dabei wird sich die Gruppe auch nach den Gebärden richten, die es schon für Gehörlose gibt.
Sich auf 100 Einträge zu einigen ist die eine Herausforderung. Die andere, Gebärden für abstrakte Begriffe zu finden, bei denen man sich nicht an einer Handlung orientieren kann. Anita Portmann relativiert allerdings: «Bei einem nicht fassbaren Begriff ist die Gebärde als solche gar nicht so wichtig. Den muss man auch für Menschen ohne Behinderung mit Inhalt füllen. Beten zum Beispiel.» Eine Gebärde zu einem abstrakten Begriff werde festgelegt, indem man sich frage, was dieser bedeute, erklärt sie.
Theologisches Lernfeld
Gebärden heisst also auch, zu übersetzen – und sicher zu vereinfachen. Das ist eine weitere Herausforderung, denn die Kirchensprache ist mitunter schwer verständlich, und zu Glaubensfragen gibt es unterschiedliche Meinungen, die auch mit Ansprüchen verbunden werden. Anita Portmann scheut Diskussionen allerdings nicht. Und meint schmunzelnd: «Gebärden festzulegen für Religion und Spiritualität ist doch ein wunderbares Lernfeld für die oft verkopfte Theologie.»
Kommunikation für alle
- Porta-Gebärden sind Bewegungen mit Armen und Händen, welche die Verständigung mit Menschen erleichtern, die eine geistige oder Sinnesbehinderung haben. Sie sind so einfach wie möglich und haben die gleiche Bedeutung in der deutschschweizer Gebärdensprache, mit der gehörlose Menschen «sprechen». Die Porta-Gebärden sind also anschlussfähig.
- Porta-Gebärden ermöglichen Unterstützte Kommunikation – wie die Leichte Sprache, eine starke sprachliche Vereinfachung. Leichte Sprache besteht aus kurzen Sätzen mit Wörtern aus dem Grundwortschatz.