Wenn Menschen einander ihr Herz öffnen
Marlis Rinert
Mit Menschen mit einer Behinderung zusammenzusein macht mich einfach glücklich. Ich staune immer wieder aufs Neue, wenn ich erlebe, was in einer Feier von ihnen alles kommt und möglich ist. Ein Beispiel: In einer biblischen Geschichte geht es um Feuer. Wir zeigen dazu nicht nur ein Bild, sondern ein Kind stellt mit Bewegungen dar, wie die Flammen züngeln. Es braucht einfach Geduld. Zuhören, fragen, einbeziehen – darum geht es. Das ist eine Form von Wertschätzung, die auch mir ganz viel zurückgibt. Tiefe in meinem religiösen Leben zum Beispiel. Wir öffnen einander gegenseitig das Herz.
«Zu erleben, wie sich diese Menschen, Kinder, Jugendliche, Erwachsene, in einer Andacht oder einem Gottesdienst einbringen, das ist schon grossartig.»
Marlis Rinert
Ich weiss noch gut, als der damalige Bischof Kurt Koch das erste Mal bei einer von mir vorbereiteten Feier Firmspender war. Nach dem Gottesdienst meinte er zu mir, er sei ganz perplex und wisse jetzt, weshalb bisher der Weihbischof immer so gerne gekommen sei. Das freute mich natürlich.
«Chum eifach emol»
Zu Menschen mit einer Behinderung hatte ich durch meine jüngste Schwester Anita schon immer einen guten Draht. In die Behindertenseelsorge rutschte ich aber eher per Zufall. Erst brachte mich unser damaliger Pfarrer Josef Schärli dazu, die Ausbildung zur Katechetin zu machen – Hilfskatechetin hiess das noch –, dann lockte mich eine Chorkollegin und HPS-Lehrerin an die Heilpädagogische Schule, und schliesslich fragte mich dort Pater Eugen Wirth, der damalige Behindertenseelsorger der Landeskirche, ob ich nicht ab und zu eine Feier mitgestalten wolle. Chum eifach emol und lueg, meinte er.
Ich ging – und blieb. Es hat mich immer mehr begeistert, was ich mit den Schulkindern und in all den Gottesdiensten, Andachten, Erstkommunionen und Firmungen umsetzen konnte. Lange Zeit machte ich alles ehrenamtlich nebenbei; erst vor etwa 15 Jahren wurde ein kleines Pensum daraus.
Über 30 Mal war ich in der Sommerferienwoche in Delsberg für Menschen mit einer geistigen Behinderung für das Programm verantwortlich. Dieses Jahr bin ich erstmals nicht mehr dabei – ich kann nicht mehr eine Woche von zuhause weg sein, weil mein Mann Hans krank ist. Aber Maiandachten oder Adventsfeiern gestalten, für Gespräche da sein und vieles mehr: Das mache ich weiterhin gerne.
Was das Schönste war und ist? Mmh... irgendwie alles. Aber zu erleben, wie sich diese Menschen, Kinder, Jugendliche, Erwachsene, in einer Andacht oder einem Gottesdienst einbringen, das ist schon grossartig.
Marlis Rinert (72) war Katechetin in der Pfarrei Sursee und an der Heilpädagogischen Schule Sursee und ist bis heute in der Behindertenseelsorge tätig. Sie ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in Sursee.
Sie sieht in jedem Gegenüber das einzigartige
Was mit einem «Chum eifach emol» begann, wurde zur Berufung. Egal, was Marlis anpackt, es wird sofort spürbar: Sie ist voll in ihrem Element! Mit Feingefühl, Kreativität, Kompetenz und menschlicher Wärme begegnet sie Menschen und unerwarteten Situationen. Bei Marlis fühlen sich alle einfach wohl, und manch Schweres wird für einen Moment leichter. Ihre grosse Stärke ist der liebevolle und wertschätzende Blick auf diese Welt und die Menschen. In ihrem Handeln zeigt sich die Freude an der Einzigartigkeit des Gegenübers: Menschen begleiten, ohne zu wissen, wohin der Weg führt. Deshalb sind wir erleichtert und dankbar, dass Marlis weiterhin mit uns mitgeht. Dankeschön von Herzen – wir freuen uns auf das, was noch kommt.
Fabienne Eichmann, Behindertenseelsorgerin